Leben

Wenn die Mutter alt ist

aktualisiert am 4. März 2024

Man sagt alternden Menschen immer: macht eine Patientenverfügung, kümmert euch um Vollmachten, für den Fall, dass ihr nicht mehr selber entscheiden könnt. Man ist froh, wenn sich die eigenen Eltern um diese Dinge kümmern, sich damit auseinander setzen was sie wollen. Und wenn man gefragt wird, ob man Bevollmächtigte sein möchte, denkt man darüber nach, sieht, was für den Fall der Fälle gewünscht wird und stimmt zu. Soweit auch bei meiner alleinstehenden Mutter. Grundtenor: ich will niemals ins Heim, und ich will niemals lebensverlängernde Maßnahmen, wenn absehbar ist, dass sie eigentlich nicht sinnvoll sind. Völlig ok für mich.

Soweit zur Theorie. Und plötzlich ist alles anders.

Ein Anruf: Bekannte hat die Mutter gefunden, die ist gestürzt und kann sich nicht mehr bewegen. Aber ein Krankenwagen ist nicht gewünscht. Muss aber, sonst wäre es unterlassene Hilfeleistung, damit kann man keinen Bekannten belasten. Also ab ins Krankenhaus. Oberschenkelhalsbruch. OP verläuft gut, nach rund 10 Tagen wäre dann eine Reha sinnvoll. Reha? Will sie nicht, sie will nach Hause. Geht aber nicht. Also nach viel Zureden dann doch erst mal in Kurzzeitpflege. 3 Wochen Aufschub des Problems, immerhin.

Problem? Sieht die Mutter nicht, denn sie weiß ja, was sie will: nach Hause. Dass alle Anderen sehen, dass das inzwischen nicht mal mit einem Pflegedienst funktioniert, interessiert sie nicht.

Das Kind nutzt derweil die Vollmachten, um aus über 600km Entfernung den Alltag zu regeln, aber in der wichtigsten Frage kann es nichts tun. Solang ein Mensch noch geistig in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, wäre eine Unterbringung in einem Pflegeheim letztlich Freiheitsentzug und sogar strafbar. Was an sich ja gut und sinnvoll ist, aber…

Aber… ist jemand geistig zurechnungsfähig, wenn er etwas möchte, dass ihm selber zwingend schadet bzw. sogar in eine lebensbedrohliche Lage bringt?

Wie weit geht das Recht auf Selbstbestimmtheit?

Ich war und bin immer noch der Meinung, wenn ein Mensch nicht mehr leben möchte, sollte er jederzeit das Recht haben, sein Leben zu beenden. In einer Form, die niemand Anderen gefährdet natürlich. Und, zweite Einschränkung: der Wunsch zu sterben sollte nicht aus einer Depression heraus erfolgen, da bei gut behandelter Depression dieser Wunsch ja (meistens) nicht mehr vorhanden ist. Habe ich mir sagen lassen, ich habe mit Depressionen keine Erfahrung.

Was also jetzt tun?

Tja. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Wenn man in eine Suchmaschine „Mutter will nicht ins Heim“ eingibt, kommen über 6 Millionen Ergebnisse, das meiste davon sind verzweifelte Erlebnisberichte von Angehörigen, die in der gleichen Situation sind/waren. Weiterhelfen tut das nicht. Es macht wütend, wenn man nicht helfen kann, weil die Person sich nicht helfen lassen will.

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