Fernstraße? Nein Danke!
aktualisiert am 27. September 2024
Für manche Orte sind Umgehungsstraßen sinnvoll und notwendig. Auch um unseren Ort sollte eine Umgehung gebaut werden, das hat man Anfang der 90er beschlossen. Wie es mit solchen Planungen so ist, dauern die. Und ziehen sich. Niemand will eine neue Straße direkt vor seiner Tür, die Route wird ständig verändert. Und bei jedem Umplanen wurde die Straße ein Stück größer. Auf einmal war es gar keine Umgehung mehr, sondern eine Fernstraße, um Münster mit Bielefeld zu verbinden (bzw. erst mal mit Rheda-Wiedenbrück und von da aus über Gütersloh nach Bielefeld sollte dann die bestehende B61 auch 4 spurig werden). Deswegen heißt das bei Straßen.NRW auch „Ostmünsterlandverbindung“. Es ist ein riesiges Bauwerk, aufgrund der Bahnlinie mit vielen Brücken und langen Stücken in Dammlage. Es ist ein großes Begleitwegenetz notwendig, an Ab- und Auffahrten, viele Kreisverkehre. Und weitere Straßen für die Landwirtschaft und Querungen.
In der Zwischenzeit war auch die Autobahn A33 fertig, so kommt man von Münster nach Bielefeld jetzt schon mit mehr Kilometern, aber deutlich schneller.
Die anderen Orte an der Strecke: Warendorf, Telgte und Beelen sprachen sich irgendwann gegen das Straßenprojekt aus. Nur in Herzebrock-Clarholz war man immer noch der Meinung: diese Straße brauchen wir. Ich frage mich, wieso?
Die Argumente der Befürworter, ich fange mal mit dem für viele Wichtigsten an:
Geld: Es wurde bisher schon so viel Geld für die Planung ausgegeben. Das soll man nicht verschwenden, sondern bitte weiter machen.
Was ist viel? 1 Million € Planungskosten?
Die letzte Kostenschätzung in der Presse war im Oktober 2023, da konnte man lesen, dass die Kosten der Straße von 137 Millionen mal eben auf 291 Millionen steigen werden. Und das sind nur geplante – wir wissen alle, dass bauen IMMER teurer wird als geplant. Im Koalitionsvertrag steht, dass der Bundesverkehrswegeplan mit neuem Blickwinkel überarbeitet werden soll – Erhalt vor Neubau. Beim aktuellen Stand unserer maroden Straßen und Brücken ist das auch dringend notwendig. Und gerade diese Woche sagte unser Verkehrsminister Volker Wissing: es ist kein Geld mehr da.
Aha. Aber eine neue Straße bauen wollen, die die Mehrheit in dieser Form nicht will.
Eigentlich könnte die Diskussion an dieser Stelle beendet sein. Es ist kein Geld da. Punkt.
Verkehrsentlastung: Ja, es fahren je nach Tageszeit recht viele LKWs durch den Ort.
Das könnte man mit Anhebung der LKW Maut auf Landstraßen regeln. Zu den meisten Zeiten ist allerdings so gut wie nichts los. Und alle Zählungen deuten darauf hin, dass der Verkehr weniger wird, nicht mehr. PKWs fahren übrigens gerne Abkürzungen, die werden also weiterhin durch unseren Ort fahren, wenn sie Richtung Gütersloh wollen, wie heute auch schon.
Die wirtschaftliche Entwicklung soll gefördert werden. Ich frage mich: welche?
Die der Unternehmen in unserem Ort jedenfalls nicht, denn viele wollen die Straße nicht. Denen reicht die Anbindung an die A2 – mehr noch, eine Umgehungsstraße würde sie deutlich einschränken, denn sie können sich dann am Standort nicht mehr vergrößern.
Verkehrssicherheit: den Verkehr aus dem Ort zu holen, ist natürlich für Fußgänger + Radfahrer ein Vorteil, das ist richtig. Das ist allerdings bisher der einzige echte Vorteil.
Dem steht dann gegenüber, dass es gerade auf dreispurigen Straßen öfter Unfälle gibt, weil häufig für die Mittelabtrennung kein Platz ist, und die gemalte Linie oft überfahren wird.
Die Straße soll positiv für die regionale Entwicklung sein.
Sehe ich nicht so. Wir sind landwirtschaftlich geprägter Raum. Die LandWIRTSCHAFT verliert massiv Flächen und da mit einem normalen Traktor nicht mal auf der B64n gefahren werden darf, muss sie deutliche Umwege in Kauf nehmen, um zu ihren (neuen) Äckern zu kommen. Für das zusätzliche Wegenetz geht noch mehr Fläche drauf. Alle Bürger die den Süden des Ortes zur Naherholung nutzen, kommen dort nicht mehr so einfach hin. Und die historische Kulturlandschaft wird zerstört. Stichwort: Prälatenweg.
Bessere Lebensqualität: für die Anwohner der aktuellen B64 bestimmt.
Denen hätte man aber auch schon vor Jahren helfen können, zB. Anträge für gute Schallschutzfenster zu stellen, für die sie dann nur einen Bruchteil hätten selber zahlen müssen. Aber bislang wurde für die Anwohner genau eines getan: nichts.
Für alle anderen, die am Verlauf der neuen Trasse wohnen, verbessert sich gar nichts. Durch die Dammlage wird der Lärm auch schön weit getragen. Und für alle Menschen, die gern Spazierengehen / Wandern / Radfahren / Reiten – kurz, die sich ohne Auto in der Landschaft bewegen, ist es auch keine bessere Qualität. Für die Landwirte, die dann viel weitere Wege haben in ihrem Arbeitsalltag haben, auch nicht.
Die Straße soll auch gut für die Umwelt sein. Weil der Verkehr außen rum flüssig fahren kann und nicht mehr so viel Bremsen muss vor Ampeln und Abbiegern. Ja mag sein.
Was ist mit den 500ha Umwelt, die einfach versiegelt und platt gemacht werden? Ausgleichsflächen werden geschaffen – aber das sind nur selten wirklich hochwertige Ergebnisse. Außerdem geht die Planung mitten durch ein Überschwemmungsgebiet – und der Axtbach breitet sich schnell sehr weit aus, das haben wir bei den letzten 2 Hochwassern/ Starkregenereignissen gesehen und leider viele auch an nassen Füßen gespürt.